La Rose

Vom Vergnügen, Weine in Gärten zu genießen

Unter Mithilfe des La Rose de Manincor

Manche Weine verlangen danach, das Haus, die manchmal schützende und wärmende, manchmal aber auch eingrenzende Enge der Wände zu verlassen. Sie fordern dich auf hinauszugehen, auf den Balkon, die Veranda, vielleicht sogar – welcher Luxus – in den Garten. Manchmal reicht auch ein geöffnetes Fenster um frische Luft hereinzulassen. Und damit die Welt.


Der La Rose de Manincor ist so ein Wein. Er weckt die Erinnerung an das Freie, aus der diese Cuvée (wie alle Weine) ja schließlich auch tatsächlich stammt. In ihr steckt – und das ist keine Übertreibung – mehr von Manincor als in jedem anderen Wein des Guts. Alle sieben Rotweinsorten finden sich im La Rose: Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot, Syrah, Tempranillo, Blauburgunder, Cabernet Sauvignon. Und mit ihnen auch (fast) alle Rotweine von Manincor: Mason di Mason, Mason, Castel Campan, Cassiano, Rubatsch. Zehn Prozent ihres Saftes werden bereits wenige Stunden nach dem Pressen von der Maische gezogen. Durch den kurzen Kontakt lösen sich aus den Trauben nur wenige Farbstoffe, was später für das schon im Anblick erfrischend wirkende, klare Hellrot dieses Rose sorgt. Die Saftabzüge werden schließlich, Weinberg für Weinberg, individuell ausgebaut und spontan im 500-Liter-Eichentonneaux vergoren.


Kurz vor Weihnachten ist es dann so weit. Dann finden die Weine nach der Assemblage – also dem auch »Verschneiden« oder »Cuvéetieren« genannten »Vermischen« der unterschiedlichen Fässer – zueinander. Manchmal ist darunter eines, das noch nicht komplett durchgegoren ist, bei dem nicht der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt wurde. Daher stammen dann jene paar Gramm Restzucker, die dem La Rose de Manincor seine ganz eigene, weiche Cremigkeit verleihen. Mehr als drei bis vier Gramm je Liter sind es jedoch nicht, denn die Finesse und Feingliedrigkeit der erfrischenden Säure wollen unbedingt erhalten bleiben.


Und eben diese Frische ist es wahrscheinlich, die höflich, aber dennoch bestimmt dazu anstiftet, den La Rose bevorzugt unter freiem Himmel zu genießen. Irgendwie ist diese Aufforderung ja auch schon im Namen versteckt: Dieser Wein heißt nicht einfach »Rose«, sondern »La Rose«, also »die Rose«. Und am Schönsten ist die Rose immer noch – alle Verführung eines schönen Straußes Schnittrosen in Ehren – dort, wo sie tatsächlich wächst: im Garten.

Es gibt eine spezielle Art von Gärten, die ganz diesen Gewächsen gewidmet ist: Die Rosengärten, auch Rosarien genannt. In ihnen werden Rosenarten aus aller Welt gesammelt – ein Zeichen auch für die besondere Wertschätzung, die dieser Pflanze zuteil wurde: Seit jeher verbindet man mit ihr die Liebe, die Freude am Leben und die Jugendlichkeit, aber – Vorsicht, Dornen! – auch den Schmerz. Wenig überraschend, dass sie immer den Göttern der Liebe und Schönheit – von Isis über Aphrodite, Eros und Dyonisos bis zur Venus – geweiht war. Sie war in den Gärten Mesopotaniens ebenso zu Gast wie in jenen Chinas, Indiens und Ägyptens. Und natürlich in Griechenland, woher auch ihr Name stammt: das Wort »Rose« leitet sich her von der Insel »Rhodos«, wo sie schon früh besonders verehrt wurde. Auch bei den Römern spielten die Rosengewächse eine bedeutende Rolle, ebenso in den mittelalterlichen Klostergärten: Der von einer Mauer umfasste Paradiesgarten (hortus conclusus) ist Symbol für die Jungfräulichkeit Marias. Und noch etwas erkennen Christen in der Rose: Ein Sinnbild für das aus dem Tod erblühende, ewige Leben – eines der zentralen Versprechen spätestens seit der Auferstehung des menschgewordenen Gottes.


Von den Renaissancegärten Italiens mit ihren manchmal fast irrwitzigen Wasserspielen, deren Schönheit jeden Tag aufs Neue verdunstet, über die prunksüchtigen Barockgärten Frankreichs, die selbst die Natur unter das Joch des Dekorativen zwingen, bis hin zu den Englischen Gärten, die sich schließlich doch damit abzufinden scheinen, dass das Ringen des Menschen mit den Elementen am Ende doch umsonst sein könnte (maybe): Kaum ein Garten, in dem Rosen nicht vorkämen. Sie sind nicht wegzudenken aus der Geschichte der abendländischen Gartenkunst, die nicht nur davon erzählt, wie der Mensch auf der beiläufigen Suche nach ein bisschen Ruhe zufällig die Gärten erfand: Sie berichtet grundlegend vom Verhältnis zwischen Mensch und Natur, von sanftmütigen Träumen und tief schlummernden Ängsten, von grenzenlosen Phantasien der menschlichen Allmacht und von der vergeblichen Hoffnung, die den Menschen schon im Hier und Jetzt eine von sehr weit her imaginierte, ewige Welt verheißt – das vorweggenommene Paradies auf Erden. Das aber, trotz allem, abrupt endet: Vor den Toren der idealen, verletzlichen Kunstgärten lauert gefährlich das Chaos, die wuchernde, die ungezähmte Natur.


Weingärten stehen irgendwo zwischen diesen idealen Kunstnaturwelten und den aus Schutz vor Tieren eingefriedeten Nutzgärten (das Wort »Garten« stammt vom indogermanischen »ghordo« und bedeutet »eingezäuntes Stück Land«; auch das lateinische »hortus«, das slawische »gorod«, das englische »garden«, das französische »jardin« und italienische »giardino« gehen auf denselben Wortstamm zurück). Vom schlichten, offenen Feld unterscheidet sie (zumindest in Südtirol, anderswo sind Weingärten selten umschlossen) ihre Einfriedung, vom idealen Paradiesgarten die stets gegenwärtige Arbeit (in ihm braucht selbstverständlich niemand einen Finger zu rühren).

Und hier, wir ahnen es bereits, schließt sich unser Kreis: Auch in den Weingärten Südtirols – und natürlich auch in jenen von Manincor – sind gar nicht selten Rosen zu finden. Sie erfüllen dort den überaus praktischen Zweck als sogenannte „Indikatorpflanzen“: An ihnen zeigt sich schon frühzeitig Mehltaubefall, der die Weinrebe mitunter schwer schädigt. Manche gehen sogar noch weiter und meinen, Rosen im Weingarten wehrten Krankheiten und Ungeziefer ab. – Was auch immer daran wahr ist, eines stimmt gewiss: Rosen in Weingärten sind einfach schön anzuschauen. Diese »Königinnen der Blumen«, wie sie die im 6. Jahrhundert vor Christus lebende, griechische Dichterin Sappho nannte, erinnern selbst angesichts der harten Arbeit im Weinberg an die beflügelnde Kraft zumindest mancher menschlicher Träume (und was wäre die Realität ohne sie?). Rosen im Garten verweisen wie kaum ein anderes Gewächs in unserem Kulturkreis auf den ewigen Zauber des Schönen und die unumstößliche Vergänglichkeit allen irdischen Lebens (wie melancholisch doch am Boden liegende, abgeblühte Rosenblätter stimmen…), und ihre Anwesenheit da und dort zwischen den Reben macht auch den Weingarten zu einem kleinen Paradies.


Von da ist es schließlich gar nicht mehr weit, wieder zurück zum La Rose und seiner Einladung, an die frische Luft zu gehen. In vielen der bedeutenden Texte über das Weintrinken findet sich übrigens dieser Hinweis (manchmal nimmt dieser sogar fast den Charakter einer Mahnung ein), bestimmte Weine im Freien zu genießen. Der amerikanische Weinhändler Terry Theise hat das in seinem erst unlängst auf Deutsch erschienenen, großartigen Buch Mein Wein an vielen Stellen vermerkt (ganz besonders liebt er dabei die Vogelstimmen), und auch Belá Hamvas tat das in seiner wundervollen Philosophie des Weins: »Im Sommer trinke im Garten, unter den Bäumen, oder auf der Veranda…«.


Das sollten wir ihnen an dieser Stelle gleich tun – mit einem Glas La Rose de Manincor in der Hand! Erdbeer, Pflaumen, Kräuterblüten – in seinen Aromen finden sie sich wieder, all die Früchte des Gartens. Und vielleicht verführen uns sein Name im Verbund mit dem zarten Rostrosarot sogar zu der Ahnung eines Dufts von Rosenblüten. Der La Rose ist jedes Jahr ein bißchen anders, mal ein wenig straffer und belebend kristallin, mal etwas »üppiger« und am Mundeingang schon fast opulent. – Gleich wie, es ist immer ein Genuss, diesen herrlichen Rosewein im Freien zu genießen. Und wenn kein Garten in der Nähe ist: So beengt kann eine Weinbar gar nicht sein, als dass nicht ein Schluck La Rose (wenn man nur genau genug hinhört) an bestimmte Formen von Natürlichkeit und Freiheit (vielleicht könnte man das auch existenzielle Unbekümmertheit nennen) erinnern lässt, die eben nur unter dem freien Himmel zu erfahren sind. Dort, wo sich das Spiel des Lebens in all seinen Höhen und Tiefen jedes Jahr aufs Neue zuträgt, eingebettet in das am Ende doch unergründliche Zusammenwirken der Elemente. »Die Rose ist ohne Warum«, heißt es in einem schönen Gedicht von Angelus Silesius (1624–1677), und weiter: »Sie blühet, weil sie blühet. / Sie achtet nicht ihrer selbst, / fragt nicht, ob man sie siehet.« – Sie nicht zu übersehen, auch daran könnte – sollte – uns ein Schluck La Rose de Manincor erinnern.

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