20 Jahre Keller im Weinberg

The Times They Are a-Changin’

Je nach Blickwinkel sind 20 Jahre wenig oder viel. Die Biodynamie lehrt uns, das winzig Kleine zu sehen und zugleich das große Ganze. Auf diese Weise schauen wir heute auf den Keller im Weinberg, mit dem wir seit 20 Jahren leben und arbeiten.

Ort der Verwandlung von Trauben in Wein, Arbeitsplatz und Welt gewordene Vision für das Unternehmen: Was kann ein Bauwerk alles sein?

Weil wir biodynamisch arbeiten, denken wir in Prozessen und heißen Veränderungen willkommen. Auch was den Keller betrifft, der nur auf den ersten Blick wie unveränderliche Materie wirkt.

20 Jahre ist er nun alt. Wenig im Vergleich zum Ansitz, der mit 412 Jahren die Spuren der Zeit voller Eleganz trägt und uns vormacht, wie das geht: in Würde altern.
Wie weit ist der Keller im Weinberg in seinen ersten 20 Jahren gekommen auf diesem Weg? Wann, wie und wo ist er angekommen in der Landschaft, in den Köpfen, im Leben der Menschen?

Emotionen, Überlegungen, Kommentare zum „neuen“ Keller im Weinberg aus verschiedenen Richtungen.

Michael Goëss-Enzenberg

Der „dritte Architekt“

„20 Jahre nach seiner Eröffnung möchte ich die Architektur und den Bau nur streifen und vielmehr über das sinnieren, was der Bau bewirkt hat. Dafür bediene ich mich eines Begriffs, den unser Architekt Walter Angonese prägte: „weiterbauen“.

Das Prozesshafte in diesem Begriff passt perfekt zu unserer Arbeitsweise als biodynamisches Weingut. Das dazugehörige Bauwerk muss fest, solide und auf Dauer ausgelegt sein und zugleich Veränderung zulassen, ja fördern.

Bald nachdem wir begonnen hatten, in Manincor Wein zu produzieren, wurde klar, dass wir einen größeren Keller brauchen würden. Mit dem Nachdenken über den Keller nahm auch unsere Vision für Manincor Konturen an.

„Der dritte Architekt“ – so wurde ich zeitweise genannt, weil ich stets involviert war und meine Ideen einbrachte. Vielleicht spricht Walter Angonese auch deshalb von „mitgelebter und mitgelittener“ Architektur.

Nach 20 Jahren zeigt sich: Das Bauwerk passt zu uns als Familie und als Unternehmen. Neben allen Ansprüchen, die es bereits erfüllt, lässt es Platz für Entwicklung. Es ist ein Ort, wo künftig unser Sohn Kassian seine Persönlichkeit einbringen kann.

An manchen Tagen bleibt mein Blick am Spiel der Sonne an einer Wand im Keller hängen. Oder ich freue mich an gut alternden Materialien.
Wenn ich mit Gästen in unserem Verkostungsraum mit Blick auf den Kalterer See bin, kommen oft ein paar Hühner vorbei und schauen uns von draußen zu. Das wärmt mein Herz und ist für mich ein Beweis dafür, dass der Keller bei uns angekommen ist.“

Sophie Goëss-Enzenberg

Die Möglichkeit einer Zukunft

„Just zum 20. Geburtstag unseres Kellers sind mein Mann und ich von Manincor nach Schloss Campan in Kaltern-Mitterdorf gezogen. Die Zeit, als der Keller seinen Betrieb aufnahm, war eine ähnlich Zäsur.

Der Keller ist für unser Unternehmen ein Leuchtturmprojekt. Mit der Qualität, der Konzeption, der Architektur und des Baus legten wir uns selbst die Latte hoch. Wir konnten jedoch alle Herausforderungen in – oft sehr leidenschaftlichen - Diskussionen klären.

Mir war wichtig, mit dem Keller etwas zu schaffen, das über uns hinausweist. Die Möglichkeit einer Zukunft für kommende Generationen.
Walter Angonese, unser geschätzter Architekt, spricht von der “Besetzbarkeit“ eines Bauwerks. Für mich heißt das, wie wir als Familie das Bauwerk „besetzt“ haben; wie wir es in unser Leben und unsere Arbeit integrierten. Und auch, wie es uns in Besitz genommen hat.

Wir haben gemeinsam Geschichten „erlebt“, Räume aufgeladen mit dem Leben von 20 Jahren. Viele Besucherinnen und Besucher habe ich selbst durch den Keller geführt und mich immer wieder an ihm erfreut.

Für mich fühlt sich unser Keller an wie ein Ameisenhaufen: betriebsam und geordnet. – Ich freue mich über den glücklichen Zufall, der uns das Kunstwerk auf der Betonmauer zum Keller zuführte: große Ameisen aus Metall.“

Helmuth Zozin, Winemaker

Work in progress

„2008 kam ich nach Manincor, der Keller war schon einige Jahre in Betrieb. Mein Fokus liegt auf der Funktionalität des Bauwerks. Es bietet alles, um Wein so zu produzieren, wie wir es wollen.

Ich sehe den Keller als „work in progress“. Zu Ende gebaut ist nie, heißt es, und unser Keller ist für dieses Konzept bestens geeignet. Damit wird er feingeschliffen und immer besser nutzbar.

Als Biodynamiker sind mir Mikroorganismen im Keller willkommen. Ein Bauwerk setzt so manches an, erodiert an einigen Stellen und wird naturgemäß älter. Die Frage ist immer, ob die Veränderungen unseren Qualitätsanspruch unterstützen oder ihm entgegenwirken.

Generell muss für mich die Form der Funktion folgen. Sie darf ihr nicht im Weg stehen. Funktion besitzt Eindeutigkeit, Form und Ästhetik sind mehrdeutig. Unser Keller ist eine Hülle für unser Tun und bietet uns alle entsprechenden Möglichkeiten.“

Kassian Goëss-Enzenberg

Der Keller und die Zukunft

„Sechs Jahre alt war ich, als der Bau begann. Am Wochenende, als die Lkws fort waren, wurde es ruhig. Ich bestaunte das riesige Loch und sammelte Steine jeder Art, jeder Farbe.

Heute sehe ich einen hochmodernen Keller. Auch nach 20 Jahren noch und auch aus dem Blickwinkel meiner Generation. Er ist zeitlos und doch zeitgemäß.

In zwei Jahren wird die Betriebsübergabe stattfinden. Das befeuert meine Ideen und Visionen. Wie wäre es, den Keller zu erweitern? Vor allem, um noch schonender und filigraner mit unseren Früchten umzugehen?

Das Kellerkonzept war extrem ausgeklügelt. Im Lauf von 20 Jahren ergaben sich dennoch Optimierungspotenziale. Ein Beispiel ist ein kleines Wasseraufbereitungswerk, um mit der Ressource Wasser noch schonender umzugehen.

Der Keller hat einen wertvollen Beitrag zum Markenaufbau geleistet. Dank des Kellers ist Manincor zu einem Anziehungspunkt an der Weinstraße geworden. Auffällig der große alte Hof und unauffällig der neue Keller unter den Weinbergen. Polarität und zugleich Symbiose von Tradition und Moderne, sichtbar in unserer Familie und in den Weinen.“

Alistair, Kellermeister

The cellar at Manincor is a hidden gem. It is well kept, well thought out and constantly updated. After 20 years it is still a very modern winery. In Australia, where I come from you would have difficulties finding something like it. I am very fortunate that I ended up in Manincor.

Walter Angonese

Angemessen & zeitgenössisch

„Unser gemeinsames Projekt ist jetzt richtig erwachsen und erfahren geworden, und das freut mich sehr.

Als wir, Graf Michael und ich 2000 – 2001 (gemeinsam mit Rainer Köberl und unter der Mitarbeit von Silvia Boday) begonnen haben, über einen Kellerneubau beim Ansitz Manincor nachzudenken, war es uns wichtig, dieses raumprogrammatisch sehr ambitionierte Projekt präzise in das Ensemble und die umliegende Landschaft einzubetten, dem Ansitz und seiner über vierhundertjährigen Geschichte Reverenz zu erweisen, an Manincor sozusagen „weiterzubauen“.

Ich glaube – der große Erfolg auch in der Architektur- und Kunstszene legt Zeugnis davon ab – wir haben etwas „Angemessenes“ gebaut. Angemessenheit ist ein wichtiger Wert in meiner Architekturauffassung. Zeitgenossenschaft, besonders im Hier und Jetzt verlangt nicht nach den großen Gesten, Zeitgenossenschaft ist für mich der Umgang mit der Vergangenheit projiziert auf eine mögliche Zukunft.

Es wurde sozusagen eher leise gesprochen, und heute, wo alles so wunderbar eingewachsen ist, glaube ich, dass das gut war. Innenräumlich war es uns wichtig, die Außenwahrnehmung mit charakterstarken Räumen zu kompensieren, funktional zu bauen, ohne sich nur funktionsorientiert leiten zu lassen. Räumen Würde und Erhabenheit zu geben.
Mehrere Jahre nach der Fertigstellung hat Manincor seine Liebe zur Biodynamik entdeckt. Ich frage mich oft: Wie würden wir die starken Ideen eines Rudolf Steiner und seiner für die Biodynamik so wichtigen anthroposophischen Gedanken in unser Projekt einzuweben wissen?

Aus der Dynamik dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Projekt und unserer zwischenzeitlichen Erfahrung würde wieder diese gebaute Symbiose entstehen, aber der anthroposophischen Energiewahrnehmung etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Großen und Ganzen würde es diese wunderbare, vorwiegend unterirdische Welt bleiben.“

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Mathias Hambörger

07.08.2024 - 21:35 Uhr

Hallo! Herzlichen Glückwunsch zum 20jährigen! Alles wunderbar! Liebe Sophie, lieber Michael, Ihr habt Euch nicht verändert! Herzliche Grüße von Edith und Mathias, in fünf Wochen sind wir wieder in Südtirol und kaufen Euch den Keller leer!

Antworten

Manincor Manincor

08.08.2024 - 16:03 Uhr

Vielen Dank für die Glückwünsche! Wir freuen uns schon sehr auf Euren Besuch!